Dienstag, 27. August 2013





Die Waldgräber

bei Weilmünster im Taunus



Ein Studienansatz mit kriminalpolitischem Hintergrund




Historischer Hintergrund

Wie fast alle Gemeinden zwischen dem Kamm des Hochtaunus und der Lahn verfügt auch die Großgemeinde Weilmünster über Hügelgrabfelder auf ihrem Gemeindegebiet. Im regionalen Geschichtsunterricht wird zumeist die Version gelehrt, die Entstehung der Grabfelder datierte auf die Zeit der Kelten. Eine genaue Betrachtung der in den topographischen Karten des Hintertaunus (Meßtischblätter 1 : 25.000) verzeichneten Gruppen- und Einzelgräber und ein Vergleich der Standorte mit alten Flurnamen läßt allerdings den Aspekt hervortreten, daß Hügelgrabfelder auch in unmittelbarer Nachbarschaft ehemaliger Justizstandorte (Galgenberg, Am Alten Galgen, Galgenkopf, ...) zu finden sind. Dies ist im Raum Limburg insbesondere am "Galgenberg" von Villmar und im benachbarten "Rippenroth-Wald" der Fall.

Die Tradition nomadischer keltischer Stämme, ihre Verstorbenen mitsamt ihrer wertvollen Habe in überdimensionierten Erdhügeln im Wald zu bestatten mag zu Zeiten großer Konflikte Nachahmer gefunden haben. Im 30-jährigen Krieg, zu Zeiten der Pestepedemien und nach den modernen Kriegsverbrechen und Progromen der Neuzeit (1. und 2. Weiltkrieg) soll es ebenso und nach außerörtlichen Auseinandersetzungen zu Massenbestattungen von "Kriegsgefangenen, Gegnern, etc., etc., ..." gekommen sein, die bisweilen vermeintlich unbeobachtet in Waldgräbern verscharrt worden sind. Insbesondere machte sich das Naziregime zwischen 1933 und 1945 einen Namen durch die organisierte Beseitigung von "Alten, Schwachen, Kranken und psychisch Kranken" im Rahmen von Arbeitseinsätzen (nicht des RAD), die bei Sumpftrockenlegungs-, Straßenbau, Steinbruch- und ähnlichen -projekten mangelernährt und durch Arbeitsüberforderung gezielt ums Leben gebracht wurden.

In Weilmünster fällt in diesem Zusammenhang ein Hügel-Grabfeld bestehend aus 4 Gräbern nahe der B 456 nach Dietenhausen im Wald zwischen Weilmünster und Grävenwiesbach auf. Zu diesem Hügelgrabfeld führt eine in den 30er Jahren vom ehemaligen psychiatrischen Sanatorium ausgehend gebaute Waldstrasse, die kurz vor dem Grabfeld abrupt an einem mit Kastanien umpflanzten Wegedreieck endet. Die Straße ist bekannt als "LICHTERTALSTRASSE" und wurde von Mitarbeitern des ehemaligen RAD-Lagers in der heutigen Weilmünsterer Sudetenstraße erbaut. Ob beim Straßenbau auch Patienten des psychiatrischen Klinikums zur Arbeitstherapie eingesetzt waren und welches deren Schicksal war ist nicht anhand öffentlich zugänglicher Publikationen nachvollziehbar.

Ein weiteres und weitaus größeres Hügelgräberfeld befindet sich im nördlich der eben erwähnten 4-Grab-Grabstätte gelegenen Wald zwischen Weilmünster-Dietenhausen und Kraftsolms-Brandoberndorf. Im Juli 1958 wurde dort bei Erforschungen eines Hügelgrabes im Distrikt 32 des Fürstlich-Solms-Braunfelsichen Waldes "Maar" das sogenannte "Idol von Dietenhausen" gefunden, eine wenige Zentimeter große Keramik, der man sowohl menschliche Körpergestalt als auch die Silhouette eines Fisches zuinterpretieren könnte. Das Fundstück wird den "Bandkeramikern", dem "donauländischen Kulturkreis" und damit "einem Bauernvolk angehörenden Einwanderern aus Kleinasien" zugeschrieben. (Siehe: Herbert Keiper (1987): "Weilmünsterer Land in alter und neuer Zeit" und Löw, Bremser, Feik u.a. (1988): Weilmünster).

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß Ortsnamen im Laufe der Geschichte einem beständigen Wandel unterlagen. Die Abwandlung der Ortsnamen erfolge oft unter dem Aspekt der Überwindung historischer Phänomene als Mittel psychosozialer Steuerung. Einer der früheren Ortsnamen des zwischen den beiden Weilmünsterer Wald-Hügelgrabfeldern gelegenen Ortsteiles Dietenhausen soll angeblich "Dodenhausen" gewesen sein. Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang erwähnt werden muß, ist die Tatsache, daß das 4-Grab-Hügelgrabfeld südlich der B 456 auf dem Meßtischblatt 1:25.000 Ausgabe 1960 NOCH NICHT verzeichnet und erst in einer neueren Ausgabe des vom Hessichen Landesvermessungsamt herausgegebenen Kartenwerk Blatt 5516 eingetragen ist.




Ausschnitt aus der Topographischen Karte Blatt 5516 Weilmünster Auflage 1996 Sektor Dietenhaus-Berg - Buhlen-Berg - Heiligenwald - Herrenwald in der Umgebung von Weilmünster OT Dietenhausen. Markiert sind. 
1. Hügelgrabfeld "Maar" im Solmser Wald
2. Hügelgrabfeld "Lichterstein" im Weilmünsterer Wald
3. Wasserwerk Kindersanatorium Weilmünster bei Möttau
Im unteren, linken Kartenabschnitt verläuft deutlich sichtbar die Lichtertalstraße zwischen dem Sanatorium und dem 4-Grab-Hügelgrabfeld. Dieses Grabfeld wurde vor 2010 bei Waldbauarbeiten (Fällung des Buchen-Hochwaldes) teilweise eingeebnet.




Anlaß der Studie

Nach der Durchführung des Studien- und Dokumentationsprojektes über Siedlungsgründungen mit Ortsnamen Berlin in Kolumbien ließ sich das heutige Privatinstitut CID ab 21. Juni 2002 in Weilmünster nieder. Dieses Engagement war dank der freundlichen Unterstützung der Frankfurter Volksbank und der Weilmünsterer Fabrikantenfamilie Rolf, Rosemarie und Gertrud Zanger möglich geworden. 

In Weilmünster beschäftigte sich das Forschungsbüro unter anderem auch mit ortsgeschichtlichen Themen und bereitete eine Publikation zur Geschichte der örtlichen jüdischen Gemeinde und wenig beachteten Aspekten der Historie des Sanatoriums zwischen 1893 und 2003 mit dem Titel "Vom Kirberg zum Wellersberg" vor. Einzelne Kapitel dieser Untersuchung sind im CID Internet Verlag (Die Sarahs, Der jüdische Friedhof) publiziert. Im Rahmen dieser Recherchetätigkeiten stieß CID auch auf die Frage einzelner Divergenzen bei kartographischen Aufnahmen des Hessischen Landesvermessungsamtes in der Umgebung des örtlichen Sanatoriums.   

Am 14. Februar 2005 begann CID mit unsystematischen Bestandsaufnahmen der Flora und Fauna in Weilmünsterer Naturschutzgebieten, insbesondere dem NSG Möttbachtal zwischen Möttau und Dietenhausen. Etwa 1 Jahr später, Ende Februar 2006, stieß CID bei einer Begehung des Waldstückes zwischen der B 456 und dem Möttbachtal auf relativ frisch ausgehobene, offensichtlich vorbereitete Grabstätten für 4 Personen auf dem mit Erde bedeckten Gebäudeteil des 1950 erbauten Wasserwerkes "Kindersanatorium", das kurioserweise mehrere Kilometer entfernt vom bezugnehmenden Krankenhaus im Wald bei Möttau liegt, sodaß die Bezeichung "Möttau - Kindersanatorium Weilmünster" Ortsfremden auf den ersten Blick hin unverständlich erscheint.




Das 1950 erbaute "Wasserwerk Möttau - Kindersanatorium Weilmünster" liegt 1000 Meter südöstlich der Raststätte "Einhaus" im Wald nahe der B 456 Richtung Grävenwiesbach - Usingen. Die Stätte wurde in den 60er Jahren mit populären Gerüchten über die "Gefährdung des Trinkwasser durch radioaktive Abfälle" in Verbindung gebracht.




Eine Begehung des Wasserwerkes und seiner Umgebung im Jahr 2005 hatte nichts Bemerkenswertes zu Tage gebracht. So fiel am 22. Februar 2006 besonders auf, daß auf dem mit Waldboden bedeckten "Dach" des Wasserwerkes eine ca. 2 Meter lange und 1 Meter breite und ca. 1/2 Meter tiefe Grube ausgehoben worden war, so tief bis daß geschotterter Untergrund sichtbar geworden war. Auf der nachfolgenden, tieferliegenden Stufe des "rückwärtigen Dachhanges" waren in regelmäßigen Abständen 3 weitere Gruben vorbereitet. Die Gesamtanlage erweckte den Eindruck einer vorbereiteten Beerdigungsstätte für 4 Personen, ein Gesichtspunkt der wegen der räumlichen Beziehung des Platzes zu den beiden weiter südlich im Wald bei Dietenhausen gelegenen Hügelgrabfeldern und dem ebenso zur Jahrtausendwende noch sehr im Bewußtsein der Ortsbevölkerung präsenten Aspektes der Euthanasie von Kindern im Dritten Reich sowie Gerüchten über das Schicksal schwerstbehinderter Kinderpatienten bei der Auflösung des Waldheimes im Jahre 1988 mehr als zynisch und makaber zu nennen ist.



I. Oberste Grube auf dem Dach des Wasserwerkes. Im Hintergrund sichtbar der Zufahrtsweg zwischen B 456 und Wasserwerk. Auf dem Weg Spuren eines schweren Fahrzeuges, mit absoluter Sicherheit eines Radbaggers, der zum Ausheben der Gräber dorthin gefahren wurde.


II. Zwei der 3 Grab-Gruben auf der tieferliegenden Dachstufe des Wasserwerkes. Dahinter der um einen Baumstumpf gelegte Radreifen eines Radbaggers. In der Gruben sichtbar der Grubengrund aus Schotter. Auffällig die geringe Stärke der Laubschicht, die auf eine kurze Zeit zurückliegende Erstellungszeit der Gruben hindeutet.


III. Zwei der drei Gruben auf der tieferliegenden Stufe der Wasserwerksrückseite.



IV. Eine der drei Gruben auf der tieferliegenden Stufe der Wasserwerksrückseite.



Die 4 Gruben waren nach dem Fall des Herbstlaubes von 2005 ausgehoben worden, also vermutlich im Winter 2006. Die Form des Grubenrandes läßt den Einsatz eines größeren, maschinellen Grabwerkzeuges beim Grubenaushub vermuten, also einer Baggerschaufel. Fehlende Spuren eines Kettenfahrzeuges deuten auf den Einsatz eines "RAD-BAGGERS" hin. Relativ frische Spuren eines solchen schweren Fahrzweuges auf dem Zufahrtsweg von der B 456 zum Wasserwerk (beachte im Hintergrund der fotografischen Aufnahme I. "Grab auf Dach Wasserwerk") lassen den Schluß zu, daß die Gruben im Februar 2006, also kurz vor ihrer Entdeckung am 22.2.2006 ausgehoben worden waren. 

Weiterhin bemerkenswert ist die Tatsache, daß ein Radbaggerreifen an einem Baumstumpf in unmittelbarer Nähe des Wasserwerkes abgelegt war. Dies läßt darauf schließen, daß sich der oder die am Einsatz des Baggers zum Ausheben der Gruben beteiligten Person(en) sicher genug fühlten, ein deutliches Zeichen für ihre "Aktion" hinterlassen zu können. Unbekannt ist, ob an dem Ort ein spielerisches Hinrichtungsritual (Feme) geplant war oder ob tatsächlich beabsichtigt war, 4 ausgewählte Personen dort zu beerdigen.     




V. Nahe der 4 ausgehobenen Grabstätten abgelegter Reifen eines Radbaggers 
(22. Februar 2006).



Der Fund der vorbereiteten Grabstätten durch CID erfolgte 4 Wochen vor dem Kommunalwahltermin im März 2006 und am ersten Jahrestag des Todes der Mäzenin von CID, der Weilmünsterer Fabrikantin Gertrud Ilse Zanger, die zwischen dem 11. und 22.2.2005 überraschend im Sanatorium Weilmünster einer unerwarteten neurologischen Erkrankung erlegen war. Aus dieser Situationsanalyse heraus leitete CID unmittelbaren Handlungsbedarf ab und setzte sich mit der Redaktion des Weilburger Tageblattes in Verbindung. Dies geschah durch Zusendung von Fotografien der vorbereiteten Waldgräber per Email verbunden mit der zynisch-ironischen Fragestellung, ob es sich bei der neuzeitlichen Hügelgrabanlage um eine Art "regionale Traditionspflege" handele, wobei auf die räumlichen Beziehungen zu den benachbarten Hügelgrabfeldern bei Dietenhausen, die 100-jährige Wiederkehr des jüdischen Schul- und Synagogenbrandes in Laubuseschbach sowie die RAD-Aktivitäten beim Bau der Lichtertalstrasse Bezug genommen wurde.

Am 3. März 2006 wurde eine erneute Exkursion zusammen mit Weilburger Bürgern zum Grabstättenort vorgenommen und dieser, abgesehen von eine frischen Schneeschicht überdeckt, unverändert vorgefunden.



Oberste Grabgrube am 3.3.2006



2 der unteren Grabgruben und Radreifen am 3.3.2006